Sport, Medien und Frauen

Frauen, Sport und Medien

Nur die Leistung zählt?

Die erste Studie zu den Charakteristika der Sportberichterstattung über Frauen von der Sporthochschule Köln wurde 1999 erhoben. In regelmäßigen Abständen erneuerten die Wissenschaftlerinnen ihre Untersuchungen bis heute. Sie stellten fest: Der Anteil von Sportlerinnen in den Berichten der deutschen Tagespresse hat sich zwar auf 15 Prozent erhöht. Allerdings so geringfügig, dass es noch hochgerechnet circa 130 Jahre dauern wird, bis eine annähernde Parität der Sportlerinnen und Sportler erreicht wäre. „Das ist nicht nur ein Phänomen der Tagespresse“, erklärt Dr. Bettina Rulofs, Sportsoziologin an der Sporthochschule Köln. „Im Fernsehen liegt der Anteil ähnlich. Amerikanischen Studien zufolge lag der Anteil der Beiträge über Frauen 1989 bei fünf Prozent, stieg 1999 auf 8,7 Prozent, um dann 2009 wieder rapide zu sinken: Auf 1,9 Prozent.“

Text: LSB Foto: bilddatenbank.lsb.nrw/Andrea Bowinkelmann


Allerdings konnten die Kölner Wissenschaftlerinnen in ihren Untersuchungen zur Darstellung von Sportlerinnen in den Medien auch positive Entwicklungen verzeichnen: Die Schwerpunkte der Berichterstattung liegen heute mehr auf den sportlichen Leistungen und Erfolgen der Sportlerinnen als früher. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen werden zwar immer noch mehr Aussagen über das Aussehen der Sportlerinnen gemacht, jedoch insgesamt selten und der Anteil an Berichten mit sexuellen Anspielungen liegt nur noch bei vier Prozent. Und doch sprechen die dazugehörigen Fotos wieder eine andere Sprache: Bei den Fotos der Männer stehen Attribute wie Stärke und die körperliche Aktivität im Vordergrund, die Frauen werden signifikant häufiger passiv dargestellt und nur sehr selten in kämpferischer Auseinandersetzung.


 

 

Dr. Bettina Rulofs, Akademische Oberrätin,
Institut für Soziologie und Genderforschung
Deutsche Sporthochschule Köln


VORAUSSETZUNGEN, UM IN DIE MEDIEN ZU GELANGEN

„Dieses immer noch vorhandene Phänomen der Fokussierung auf körperliche Schönheitsattribute der Sportlerinnen hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen“, erklärt die Wissenschaftlerin Rulofs. „Denn Geschlechterdifferenzen in den Medien haben auch damit zu tun, wie sich Sportlerinnen präsentieren oder meinen, sich präsentieren zu müssen, damit sie überhaupt in die Zeitung kommen. Wir wissen zum Beispiel aus Interviews mit Verantwortlichen in Sportredaktionen, dass eine gute Optik eine enorme Rolle spielt.“

Die Wissenschaftlerin nennt dabei mehrere Stufen des Kommunikationsprozesses: Die erste basiert auf der Frage: Wie verhalten sich Sportlerinnen bei Aktionen, wie präsentieren sie sich im Internet oder für ihre Marketingagenturen? Regina Halmich, die Spitzensportlerin in der Männersportart Boxen, ist ein typisches Beispiel. Um bekannt zu werden, musste sie sich zunächst als Frau positionieren. Und so wurde Boxen plötzlich sexy.

NÄCHSTE HÜRDE: DIE SPORTREDAKTIONEN

Die zweite Stufe betrifft die Medien und im Speziellen die Journalistinnen und Journalisten, die die Nachrichten selektieren. Auch für sie scheint eine gute Optik wichtig zu sein. Medien publizieren für ihr Publikum und im Sport sind die Rezipienten weiterhin vorwiegend männlich. Und in vielen Sportredaktionen herrscht immer noch die Meinung, dass man nur über die Darstellung eines schönen Körpers Männer für Sportlerinnen begeistern könne. „Allerdings sind die Medien nicht mehr auf dem neuesten Stand“, berichtet Rulofs. „Die Ergebnisse aus der Rezeptionsforschung zeigen: Der Großteil der Leserinnen und Leser oder TVZuschauerinnen und Zuschauer will über die sportlichen Leistungen informiert werden, Sexualität und Ausstrahlung sind für sie weit weniger wichtig.“

Um aus diesem Dilemma zu gelangen, haben sowohl die Medien als auch der organisierte Sport viele Möglichkeiten.

DIE MACHT DER SPORTORGANISATIONEN

Positiv genutzt können Sportverbände zu einem stärkeren Sensibilisierungsprozess beitragen, indem sie sich weiterhin gezielt an Mädchen und Frauen richten und sie motivieren, sich für Sport zu interessieren. Nicht nur aktiv, sondern auch in den Medien. Was spricht dagegen, wenn ein Sportverband mit den Sportlerinnen und Ehrenamtlichen seiner Mitgliedsverbände eine gemeinsame Forderung aufstellt, dass Medien mehr über Mädchen und Frauen berichten?

 

„Auch im Kleinen haben Sportfunktionäre und Sportpolitiker einen großen Einfluss, zum Beispiel auf regionale TV Sender. Möglich wäre es beispielsweise, in Gesprächen die Medienverantwortlichen von der Qualität des Frauensports zu überzeugen,“

schlägt die Wissenschaftlerin vor.

 

DIE MACHT DER MEDIEN

Die Macht der Medien ist dagegen eine ganz andere. Sie unterliegen zunächst dem Auftrag, ihre Gewinne zu maximieren, Leserzahlen zu steigern und ihre Angebote mit ihren Werbepartnern zu verbinden. Hier treten emanzipatorische Forderungen häufig völlig in den Hintergrund. Denn wenn die Formate der Sportberichterstattung erfolgreich sind, besteht für die Medien kein Interesse an Veränderungen. Den Verantwortlichen ist es wichtig, dass Werbepartner ihre Produkte gut platzieren können. Die Forderung, mehr Frauen anzusprechen, passt daher nicht unbedingt zu den Marktstrategien von Medienunternehmen. Eine größere Chance liegt nach Bettina Rulofs bei den öffentlich-rechtlichen Medien, die bereits einen eigenen Anspruch haben, Chancengleichheit in ihrer Medienpolitik zu berücksichtigen. Hier gilt es anzusetzen und Forderungen zu stellen.

Eine der Hauptforderungen wäre natürlich, dass die Medienschaffenden sich nicht auf einseitige Darstellungen beschränken und aufhören, in Geschlechterstereotypen zu denken. Denn auch heute noch sind die Vorstellungen von den meisten Medienschaffenden über die Interessen des Publikums sehr einseitig. Jedoch schaut das Publikum durchaus gerne auch Frauensport jenseits von Tennis und Beachvolleyball.


„Frauen werden als Publikum wichtig, sowohl für die Sportveranstalter als auch für die Rundfunkanstalten als Quote.“


NEUE ZIELGRUPPE:
FRAUEN ALS ZUSCHAUERINNEN WAHRNEHMEN

Durch eine ausgeglichene Berichterstattung ließen sich Frauen als Zuschauerinnen und damit auch als Werbezielgruppe hinzugewinnen. So sind zum Beispiel viele große Sportevents ohne den Verkauf von Rechten nicht mehr finanzierbar. „Das erfordert auch ein Umdenken in der Zielgruppenplanung“ schreibt Assistenzprofessorin Johanna Dorer vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien in ihrem Beitrag Mediensport und Geschlecht. „Frauen werden als Publikum wichtig, sowohl für die Sportveranstalter als auch für die Rundfunkanstalten als Quote. Des Weiteren wurden in den letzten Jahren immer mehr Sportarten für Sportlerinnen geöffnet, sodass bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften der Anteil an Sportlerinnen deutlich gestiegen ist. Das hat auch dazu geführt, dass es in einigen nationalen Teams bereits ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis gibt. Denn schließlich ist der nationale Zielwert der Sieg, das Erringen von Medaillen, und hier zählt schlussendlich die nationale Zugehörigkeit und nur sekundär, ob eine Medaille von einem Sportler oder einer Sportlerin „nach Hause“ gebracht wird“, so die Kommunikationswissenschaftlerin.


VERÄNDERUNGEN SIND NÖTIG UND MÖGLICH

Für Bettina Rulofs ist außerdem ein weiterer Sensibilisierungsprozess notwendig. Und natürlich eine lautere Stimme der Frauen. Dass diese ein Gewicht hat, zeigt das Beispiel eines ZDF TV-Spots zur Frauen-Fußball EM 2013: Darin wird eine Frau im National-Trikot gezeigt, die einen schmutzigen Lederball in die Waschmaschine kickte. Dann stellte sie auf Waschgang „Leder“ und eine Frauenstimme sagte: „Ballsauber in Schweden“. In dem Spot sind nur die wohlgeformten Beine und Füße der Frau zu sehen, nicht aber der Kopf. Der Eindruck, den er bei den Zuschauerinnen und Zuschauern hinterließ: kopflose Frau, hübsche Beine, ein entspannter Hausfrauenkick. Daraufhin erfolgte ein solch großer Aufschrei im Netz, dass der Sender in öffentliche Erklärungsnot geriet.

 

Es ist das Wichtigste, Forderungen zu stellen. Abzuwarten, dass sich die Situation von selbst verändert, hilft da nicht.

Bettina Rulofs

 

Es gibt aber auch positive Beispiele für eine geschlechtergerechte Medienstrategie: Ein amerikanischer Bindenhersteller bittet in einem Werbespot männliche und weibliche Erwachsene zu zeigen, wie ein Mädchen rennt, wirft oder kämpft. Die Darstellerinnen und Darsteller strengen sich an, um möglichst „mädchenhaft“ zu agieren und sehen dabei sehr albern aus. Dann stellt man kleinen Mädchen dieselbe Frage. Die Mädchen strengen sich an und werfen, rennen und kämpfen. Mit voller Kraft und ganzem Engagement. Nichts sieht mehr albern aus. Der Spot über dieses falsche Bild von Mädchen ging wie ein Lauffeuer durch die sozialen Medien. Die Huffington Post schreibt daraufhin: „Das Bild, das wir von Mädchen haben, ist katastrophal. (…) Irgendwo in der Pubertät verlieren Mädchen ihren Mut und ihr Selbstvertrauen. Sie lernen, dass Frauen schwach sind. Unsportlich und tussihaft. Liebe Eltern, Lehrer, große und kleine Brüder: Tut etwas dagegen!“ Dem bleibt nur hinzuzufügen: Ihr auch, liebe Medien!

DIE MACHT ALS PUBLIKUM NUTZEN

Medien verändern sich am ehesten, wenn das Publikum sich verändert. Derzeit scheinen die Medien noch davon auszugehen, dass nur ein männliches Publikum Interesse am Sport hat. Wenn das Publikum sich nun auch für Frauen im Sport und für Frauen in der Sportberichterstattung interessiert, dann werden die Sportmedien sich darauf einlassen müssen. Denn dass sie eine große Macht bei den Bedeutungszuschreibungen haben, ist augenscheinlich. Sie bestimmen, was wir relevant finden. Sie haben Einfluss auf unser Denken und teilweise auch unser Fühlen. „Deshalb ist es so wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen“, plädiert Bettina Rulofs. „Und Forderungen zu stellen. Das ist das Wichtigste. Abzuwarten, dass sich die Situation von selbst verändert, hilft da nicht.“

 

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