„Das ist ein Fulltime-Job“

Johanna Wißkirchen (25) ist nicht nur Trainerin beim Bergischen Fechtclub Rösrath (BFCR), sondern kümmert sich auch um das Thema „Schutz vor Übergriffen und sexualisierter Gewalt im Sport“. Wir haben mit ihr über ihr Ehrenamt gesprochen.

Text: Sinah Barlog | Foto: Andrea Bowinkelmann (Head)


Wie bist du zum Ehrenamt gekommen? 

Ich fechte quasi mein ganzes Leben, habe im BFCR meinen Trainerschein gemacht und bin Kampfrichterin. Als ich begonnen habe,Soziale Arbeit zu studieren, habe ich mich dann mehr mit dem Thema "sexualisierte Gewalt und Prävention" beschäftigt. Ich habe dann unter anderem für den Rheinischen Fechterbund ein Präventionskonzept geschrieben und mich viel mit dem Thema beschäftigt und das dann immer wieder ins Ehrenamt eingebracht.

Was reizt dich besonders an deiner Tätigkeit?

Gerade Prävention sexualisierter Gewalt ist oft in den Medien präsent. Ich finde es ein wichtiges Thema, weil es nicht nur darum geht, die Sportler*innen - und in meinem Bereich Kinder und Jugendliche - zu schützen, sondern auch die Trainer*innen – zu denen ich auch gehöre – dafür zu sensibilisieren. Hierbei geht es sowohl darum, den Sportler vor sexuellen Übergriffen zu schützen, aber auch den Trainer vor falschen Anschuldigungen.

Was machst du neben deiner ehrenamtlichen Tätigkeit?

Ich bin Sozialarbeiterin. Ich habe bis dato ein Jugendzentrum geleitet, aber parallel ein Rehabilitationswissenschaftsstudium begonnen. Daher habe ich jetzt angefangen, in der stationären Jugendhilfe zu arbeiten und betreue dort traumatisierte Kinder, die viel Gewalt- und Missbrauchserfahrungen erlebt haben.

Wie schaffst du die Belastung zwischen Ehrenamt und Beruf/Studium?

Das ist ein Fulltime-Job. Ich verlasse meist um kurz vor 7 Uhr das Haus, fahre zur Uni - sofern Präsenzzeit in den Vorlesungen und „nicht gerade Corona ist“. Fahre danach arbeiten und von der Arbeit direkt zum Sport. Es sind also sehr vollgepackte Tage, aber ich mache alles sehr gerne und möchte nichts davon abgeben und missen. Dadurch, dass ich nicht nur Trainerin, sondern auch selbst Sportlerin bin, überschneidet sich das Ganze ja auch – also das Ehrenamt und das Hobby.

Du bist selbst Fechterin: Was war bisher dein Highlight? Was sind sportliche Ziele?

Es gab einige sportliche Highlights. Ich bin mehrfache Landesmeisterin geworden. Das war natürlich immer schön. Ich konnte schon mehrfach an Deutschen Meisterschaften teilnehmen und bin selber auch hier im Rheinisch-Bergischen-Kreis zur „Sportlerin des Jahres“ nominiert worden. Das ist natürlich immer eine schöne Anerkennung, für das, was man im Sport leistet.

Die sportlichen Ziele haben sich etwas hinten angestellt. In dem Alter, als es darum ging, ob ich eher Leistungs- oder Breitensport mache, war ich leider lange verletzt, sodass ich im Breitensport geblieben bin. Gerade durch Studium und Job kommt der Sport leider häufig zu kurz. Ich würde mir wünschen, dass die diesjährigen Deutschen Meisterschaften im Dezember stattfinden und ich daran teilnehmen kann. Ich fürchte nur, dass sie aufgrund der aktuellen Lage noch verschoben werden.

Wie siehst du deinen Trainerjob?

Bedingt durch meinen Job ist meine Führungsphilosophie: Auf Augenhöhe sein, sehr partizipativ orientiert. Ich arbeite in meiner Trainertätigkeit viel an den Grundlagen, da ich meistens für die Anfänger*innen im Kinder- und Jugendbereich zwischen 8 und 16 Jahren zuständig bin. Hier steht überwiegend der Spaß im Vordergrund. Man möchte ja, dass die Anfänger*innen dabei bleiben, die Grundlagen lernen und den Sport näher kennenlernen. Hier geht es dann weniger darum, Turniere zu gewinnen oder Leistung zu bringen.

Jugendliche sind derzeit ausgebremst. Wie erlebst du das in deinem Verein und bei dir selbst?

Es geht um die Debatte,  dass Jugendliche zum Schutz vor den Älteren zurückstecken müssen. Im Verein haben wir da weniger erlebt. Wir haben Altersklassen für Trainingseinheiten zusammengeführt. Hier trainieren Senioren mit älteren Jugendlichen. Wir haben es aber auch so gehandhabt, dass wir dauerhaft Mund-Nasen-Bedeckung tragen, außer wir stehen auf der Fechtbahn und fechten. Bei uns sind wir da sehr darauf bedacht, Abstand zu halten und da bietet sich der Fechtsport ideal an. Wir hatten in der ganzen Zeit auch keine Turnhalle, da die Stadt sie in der Coronazeit geschlossen hat. Wir haben dadurch viel draußen trainiert, wo man mehr an der frischen Luft ist und wir uns relativ sicher fühlten.

Wir haben das Beste aus der Situation gemacht. In unserem Verein liegt der Schwerpunkt auf Kindern und Jugendlichen. Was ich oft beobachten konnte war, dass alle froh waren, dass wir überhaupt trainieren durften. Von Jung bis Alt waren alle gerade nach den Sommerferien wieder total motiviert dabei. Man merkte allen an, dass es wichtig war, sich überhaupt zu treffen und gemeinsam Sport machen zu können. Als jetzt wieder anstand, dass im November kein Sport stattfindet, merkte man auch bei allen Sportler*innen Traurigkeit. In unserem Training ist es sehr familiär, die Jugendlichen treffen hier ihre Freunde und das ist eine sehr wichtige soziale Komponente, die nun wieder weg fällt.

 

 

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